Abscheidung auf der Elektrode

Konvektion im Elektrolyten

Die Diffusionsbewegung durch die thermische Bewegung der Teilchen wie auch die Driftbewegung im elektrischen Feld der Elektroden ist zu gering, um eine galvanische Abscheidung mit der erforderlichen Rate aufrecht zu erhalten, wenn der Bereich in unmittelbarer Nähe der Elektrode bereits an geeigneten Ionen verarmt ist.Deshalb ist eine Konvektion des Elektrolyten unerlässlich. Eine solche makroskopsiche Umwälzung aller Teilchen des Elektrolyten muss nicht zwingend von außen vorgegeben werden, sondern findet bereits durch räumliche Temperatur- und damit Dichteunterschiede im Elektrolyten statt.Konvektion alleine kann Teilchen jedoch nicht bis unmittelbar an die Elektrode heranführen, da sich in bewegten Flüssigkeiten über Festkörpern stets eine Diffusionsgrenzschicht ausbildet, deren Stärke mit zunehmender Konvektionsgeschwindigkeit jedoch abnimmt.

Diffusion in der Grenzschicht

Die Teilchen unmittelbar an der Elektrodenoberfläche haften an dieser, sind also an diese physikalisch durch verschiedene Wechselwirkungskräfte relativ schwach gebunden. Darüber lassen sich parallel zur Elektrodenoberfläche gestapelte Teilchenschichten denken, die sich mit jeweils bestimmtem Geschwindigkeitsunterschied parallel zur vorherigen Schicht bewegen können. Ab einem bestimmten Abstand geht diese Diffusionsschicht in den konvektiven Bereich des Elektrolyten über.Innerhalb der Diffusionsschicht nimmt die Konzentration der Ionen, welche sich an der Elektrode durch Aufwachsen (z. B. Cu+ + e- -> Cu) oder Phasenumwandlung (z. B. 2 H+ + 2 e- -> H2) verbrauchen, in Richtung der als „Teilchen-Senke“ fungierenden Elektrode ab. Dieser Konzentrationsgradient als treibende Kraft ist umso größer, je dünner die Diffusionsschicht, also je stärker die Konvektionsgeschwindigkeit darüber ist. Eine starke Konvektion fördert deshalb auch die Diffusion durch die Diffusionsgrenzschicht

Anlagerung an die Elektrode

Kationen sind in wässrigen Lösungen stets hydratisiert, also aufgrund der Ion-Dipol-Wechselwirkung von einer Hydrathülle aus zum Ion ausgerichteten Wasser-Molekülen umgeben. Diese Hülle muss zunächst abgestreift werden, bevor sich das Kation an die Kathode anlagern kann.

Beim Stofftransport von Ionen zur Elektrode folgen die Transportmechanismen Konvektion und Diffusion aufeinander, gefolgt vom Abstreifen der Hydrathülle und Anlagerung an die Elektrode.

Eine genauere Betrachtung der Diffusionsgrenzschicht

Innerhalb der Diffusionsgrenzschicht lassen sich zwei Bereiche definieren:Die innere Helmholtzschicht bezeichnet die an die Elektrode adsorbierte Monolage der Lösemittelmoleküle (z. B. H2O) oder anderer Ionen des Elektrolyten.Die  äußere Helmholtzschicht besteht aus den hydratisierten Ionen des Elektrolyten, welche an der inneren Helmholtzschicht angelagert sind.Um aus dem Elektrolyten an die Oberfläche der Elektrode zu gelangen (oder von der Elektrode in Lösung zu gehen), müssen die Ionen die Helmholtzschicht durchdringen, was als Durchtrittsreaktion bezeichnet wird. Anschließend streifen die Ionen ihre Hydrathülle ab und werden ins Gitter des Festkörpers eingebaut. Der Durchtritt durch die Grenzschicht wie auch das Abstreifen der Hydrathülle erfordert eine Aktivierungsenergie, die durch eine erhöhte Spannung (Durchtrittsüberspannung) an der externen Spannungsquelle aufgebracht werden muss.

Physikalische Grundlagen

Nachdem die Kationen zur Kathode gelangt sind und ihre Hydrathülle abgestreift haben, lagern sie sich zunächst lose gebunden als Ad-Atome an die Oberfläche des Festkörpers an. Sie können dort thermisch aktiviert diffundieren, bis sie an einem energetisch günstigen Platz dauerhaft ins Kristallgefüge eingebaut werden.

Simulation ...

Die folgenden Simulationen stellen den Mechanismus der Anlagerung und Einbau eines Kations in den Festkörper sehr vereinfacht dar: Jedes Teilchen in einem kubischen Gitter hat 26 Nachbarplätze (6 über die Seitenflächen, 12 über die Kanten, und 8 über die Ecken der zentralen Zelle), die jeweils besetzt oder unbesetzt sein können. Je mehr besetzte Nachbarn ein Teilchen hat (wobei die Nachbarplätze über die Kanten und Ecken durch den größeren Abstand weniger beitragen), desto größer ist dessen Bindungsenergie an diesem Ort. Die Wahrscheinlichkeit p für einen thermisch aktivierten Wechsel von einer Gitterstelle (Energie E1) zu einer benachbarten Stelle (E2) ist demnach:

wobei kT die kinetische Energie des Teilchens, und c eine Konstante ist. Die Bilderserie unten zeigt das ausschließlich über dieses Modell simulierte Wachstum einer Schicht, Monolage um Monolage, in unterschiedlichen Stadien:

Beim Aufwachsen einer Schicht auf der Elektrode lagern sich in diesem vereinfachten Modell neue Teilchen an einer zufälligen Stelle an und suchen sich dann über thermisch aktivierte Sprünge den energetisch günstigsten Platz (d. h. mit einer möglichst großen Anzahl an Nachbarn) im Kristallgefüge. Die Färbung der Atomlagen dient nur der besseren Visualisierung.

Wachstumsrate

Je mehr Zeit die angelagerten Teilchen für die Suche nach einem energetisch möglichst günstigen Gitterplatz haben (über z. B. eine geringere Abscheiderate oder/und höhere Temperatur), desto glatter wächst die Schicht (Abb. unten).

Langsameres Kristallwachstum (links) führt zu glatteren Schichten als rasches Wachstum (rechts), da die angelagerten Teilchen „mehr Sprünge Zeit“ haben, energetisch günstige Gitterplätze mit möglichst vielen Nachbarn zu finden und zu besetzen. Die unterschiedliche Färbung der Atomlagen dient nur der übersichtlicheren Darstellung des Vorgangs.

Keimbildung und Kornwachstum

Nicht nur die Bindungsenergie zu benachbarten besetzten Gitterstellen, sondern auch das lokale elektrische Feld trägt zur Energiebilanz eines Teilchen-Sprungs auf der Oberfläche der Elektrode bei.
Je kleiner der Krümmungsradius der Oberfläche ist, desto stärker das lokale elektrische Feld, und desto wahrscheinlicher der Einbau eines Teilchens an dieser Stelle. Die Abb. rechts zeigt das Ergebnis einer Simulation, die diesen Aspekt berücksichtigt: Kleine, zufällige Unregelmäßigkeiten zu Begin der Abscheidung (Keimbildung) verstärken sich mit dem weiteren Wachstum (Keimwachstum), da neue Teilchen bevorzugt dort eingebaut werden.

An Spitzen ist das elektrische Feld größer, hier lagern sich neue Kationen bevorzugt an. Die Farbgebung dieser Abbildung dient nur der besseren Darstellung.

... und Praxis

Die Realität der galvanischen Abscheidung ist wesentlich komplexer als die Annahmen der hier behandelten Simulationen:Elektroden sind i. d. Regel keine Einkristalle, sondern amorphe oder nanokristalline Festkörper, wodurch die Bindungsverhältnisse auf deren Oberfläche örtlich verschieden sind.Unberücksichtigt blieben auch die Transportmechanismen innerhalb der Diffusionsgrenzschicht, v. a. der Durchtritt durch die innere und äußere Helmholtzschicht. Auch das Abstreifen der Hydrathülle und chemische Reaktionen wirken sich auf die Energiebilanz eines Teilchens zwischen Anlagerung und Einbau ins Kristallgefüge aus.